Radikal gerecht by Thomas Straubhaar
Autor:Thomas Straubhaar [Straubhaar, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783896845184
veröffentlicht: 2017-02-12T23:00:00+00:00
Ein Rechenbeispiel
Die direkten Kosten eines bedingungslosen Grundeinkommens lassen sich relativ einfach abschätzen. Sie sollen hier stilisiert als leicht nachvollziehbare Überschlagsrechnung und eher beispielhaft als konkret präsentiert werden. Nimmt man an, dass in Deutschland 80 Millionen Menschen leben, die Anrecht auf ein Grundeinkommen haben, ergeben sich für alternative Höhen des Grundeinkommens folgende jährlichen Finanzierungsbedarfe:161
Bei einem monatlichen Grundeinkommen von 600 Euro entsteht ein jährlicher Finanzierungsbedarf von weniger als 600 Milliarden Euro, bei monatlich 800 Euro sind es rund 800 Milliarden Euro. Bei monatlich 1000 Euro entstehen für den Staat Finanzierungskosten von rund einer Billion Euro.
Zum Vergleich: 2015 wurden für den Sozialstaat insgesamt 888 Milliarden Euro ausgegeben.162 Davon flossen rund 60% an die Sozialversicherungssysteme und etwa 20% an Förder- und Fürsorgesysteme. Finanziert wurde der Sozialstaat zu je rund einem Drittel aus Sozialbeiträgen der Arbeitgeber, der Versicherten und des Staates.
Die heutigen Kosten für den bestehenden Sozialstaat liefern einen Anhaltspunkt, inwieweit die verschiedenen Alternativen für die Höhe des Grundeinkommens als realistisch beurteilt werden können. Wird das Sozialbudget 2015 von 888 Milliarden Euro als Maßstab genommen, ließe sich – für den Staatshaushalt mehr oder weniger budgetneutral – ein Grundeinkommen von monatlich 600 Euro finanzieren (wenn die Sozialversicherungssysteme komplett abgeschafft würden, an den Förder- und Fürsorgesystemen sowie den übrigen Sozialleistungen jedoch festgehalten würde). Würde der gesamte heutige Sozialstaat durch ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzt, könnte – wiederum für den Staatshaushalt budgetneutral – monatlich sogar ein Grundeinkommen von 925 Euro ausbezahlt werden.
Die gegenüber dem heutigen Sozialstaat geringeren Verwaltungskosten würden den Verteilungsspielraum noch vergrößern. Das Grundeinkommen macht eine Reihe bürokratischer Abläufe und Kontrollen überflüssig. Wie viel am Ende deswegen tatsächlich eingespart werden könnte, hängt vom Grad seiner konsequenten Umsetzung ab.
Ob die Gesellschaft bereit wäre, das Grundeinkommen idealtypisch umzusetzen und eine aktivierende Sozialpolitik tatsächlich komplett abzuschaffen, ist letztlich eine politisch zu entscheidende Frage. Sie dürfte durch den Widerstand unterschiedlicher Interessengruppen und deren Ideologien beeinflusst werden. Die Erfahrung lehrt, dass es in aller Regel sehr schwer fällt, über lange Zeiten geschaffene Bürokratien und gut eingespielte Verwaltungsstrukturen aufzulösen. Was über Jahrhunderte gewachsen ist, braucht in aller Regel Jahrzehnte, um zu schrumpfen. Deshalb dürften sich Einspareffekte eher langfristig als kurzfristig positiv auswirken.
Die unmittelbare Wirkung eines bedingungslosen Grundeinkommens auf die öffentlichen Finanzen lässt sich mithilfe einer holzschnittartigen Überschlagsrechnung von Staatsausgaben und -einnahmen veranschaulichen. Dabei erheben die folgenden Kalkulationen in keiner Weise den Anspruch, die Folgeeffekte eines Grundeinkommens auf den deutschen Staatshaushalt präzise zu berechnen und genau vorauszusagen. Ihre Aussagekraft ist alleine deshalb schon beschränkt, weil sie rein statisch sind, also alle Veränderungen unbeachtet lassen, die ein Grundeinkommen zweifelsfrei auf Arbeit und Beschäftigung, Löhne und Wertschöpfung sowie Steuereinnahmen ausübt. Die Überschlagsrechnungen sollen lediglich grundsätzliche Plausibilitäten darlegen. So, dass Größenordnungen abgeschätzt und für weitere Diskussionen nutzbar gemacht werden können.
Die Staatsausgaben aller Gebietskörperschaften, also Bund, Länder, Gemeinden, und der Sozialversicherungen zusammen lagen 2015 bei 1,33 Billionen Euro.163 Nimmt man diese 1,33 Billionen Euro aller Staatsausgaben als Ausgangslage und zieht davon die 888 Milliarden des Sozialbudgets ab, ergibt eine grobe Abschätzung (die insbesondere alle Doppelzählungen vernachlässigt), dass die staatlichen Ausgaben jenseits des Sozialstaates etwa 450 Milliarden Euro Kosten verursachen.
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